Christa Schiffer: Einige persönliche Worte zu meinem Werdegang
Wie steht man fast zwanzig Jahre in einer Hochgeschwindigkeitsbranche durch? Einer Branche, in der vier- bis sechsmal pro Jahr eine neue Angebotspalette entwickelt, verkauft und produziert wird? In der gleichzeitig an drei Kollektionen und mehr gearbeitet wird? Gute Frage, denn viele Berufstätige in rasanten Märkten steigen nach einigen Jahren aus, entweder weil es ihnen reicht oder weil sie ausgebrannt sind. Für mich gibt es zwei Gründe, warum ich mich der Arbeit als Coach und Trainerin verschrieben habe:
1. Kontrolle ist gut. Vertrauen ist besser. Damit sie dem hohen Tempo standhalten, müssen die Beziehungen zu Kunden, Kollegen und Mitarbeitern tragfähig und von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein. Sei es, dass Kunden mir oder meinem Team vertrauten und sogar Budgets überließen, wenn sie eine Kollektion aus Zeitgründen nicht selber sichten konnten oder sei es, dass ich in Abwesenheit Vertrauen in meine Kollegen und Mitarbeitern haben musste, dass sie ihre Arbeit schon richtig machten. Wenn jeder innerhalb seines Verantwortungsbereiches verbindlich handelt, dann sind inflationäre Kontrollmaßnahmen überflüssig. Leider stelle ich heute in vielen Unternehmen einen gegenläufigen Trend fest, fast schon einen neue Disziplinlosigkeit und häufig ein Zeichen von Führungsschwäche.
2. Führen heißt ermöglichen. In fast zwei Jahrzehnten lernt man ganz gut, was in Unternehmen funktioniert und was nicht. Wie Führung fördert, dass Mitarbeiter sich entwickeln und sie größer werden und wie sie es verhindert. Als Geführte bin ich dankbar für all die guten und auch die schlechten Vorgesetzten, denn von ihnen habe ich eine Menge gelernt. Als Vorgesetzte haben mir meine Mitarbeiter gespiegelt, wann sie mit mir zufrieden waren. Mitunter waren sie es nicht. Im Vertrieb kam mir meine Zähigkeit im Verhandeln oft zugute; meinen Kollegen ging ich damit allerdings ganz schön auf die Nerven. Liebe Designerinnen, liebe Außendienstler, ich entschuldige mich nachträglich dafür!
Eins war klar: Wann immer die Menschen die Werte, nach denen ich handelte, erkennen konnten, wann immer sie mich ausrechnen konnten und ich die Verantwortung für mein Tun übernahm, dann folgten sie mir gerne.
Gerade in mittelständischen Unternehmen treffen oft zwei Phänomene aufeinander: Erstens: Umsatz-, Kosten- und Termindruck spitzen sich zu, Kunden verlangen immer mehr und Veränderungs-Horizonte reicht oft nur noch von Quartal zu Quartal. Noch mehr Kontrollen scheinen das einzig verfügbare Mittel - als ob sich ein komplexes System wie ein Unternehmen durch Kontrolle führen ließe. So wie die Menschen befinden sich auch viele Organisationen mitten im Burn-out. Der Druck für die Organisation steigt und wird weitergegeben an die Mitarbeiter.
Zweitens: Gerade in diesen Unternehmen werden die Mitarbeiter häufig nebenbei geführt. Dabei ist den Beteiligten die Bedeutung ihrer eigenen Rolle meist gar nicht bewusst. Keine Zeit mehr für Beziehungs-Gespräche, dafür noch mehr Administration. Arbeitsplätze sind nicht mehr sicher: Mitarbeiter scheinen immer alles wissen/können zu müssen, lassen sich ihre Probleme nicht anmerken und ihre Ängste zeigen sie schon gar nicht.